Begründer Forumtheater

Augusto Boal 1931–2009

«Jeder kann Theater machen! Was einer kann, können alle! Jeder kann mit den Mitteln des Theaters seine Unterdrückung darstellen und Wege zur Befreiung suchen!» Man soll «die Realität, auch die des Theaters, Geschichten und Geschichte nicht als gegeben hinnehmen, sondern immer wissen, dass alles einen ganz anderen Verlauf hätte nehmen können, und immer an die Möglichkeit der Veränderung glauben und darauf hinarbeiten!» Augusto Boal in 'Theater der Unterdückten'.

Theaterrevolutionär Augusto Boal

Ein Guerillio, ein Untergrundkämpfer, wollte Augusto Boal nicht sein. "Ich tue nichts aus einem Hinterhalt. Theater ist immer offen", betonte der grosse brasilianische Theatermann, der im Alter von 78 Jahren in Rio de Janeiro gestorben ist. Boals "Theater der Unterdrückten", das in den 1970er-Jahren auch in Europa Furore machte, wollte das Publikum bewegen, hin zur politischen Bewusstwerdung und zur Aktion.
Studententheater und therapeutische Gruppen arbeiteten in Europa nach Boals Methoden, freie Truppen spielten seine Stücke. Überall gab der Brasilianer Workshops oder inszenierte theatralische Aktionen. Nicht freiwillig. Europa bedeutete für Boal Exil. 1971 hatte die Militärdiktatur in seiner Heimat den engagierten Theatermacher verhaften und foltern lassen. Nur dank internationalen Protesten kam Boal frei. Was er in den 1950er- und 1960er-Jahren gegen viele Widerstände und unter prekären Verhältnissen aufgebaut hatte, wurde gewaltsam zerstört.
Schon als 25-Jähriger hatte Boal in São Paulo ein kleines Theater gegründet, das Teatro de Arena. Der Namen zeigte es: Hier wurde nicht im Guckkasten gespielt, sondern mitten im Publikum. Geschichten aus dem Leben der verarmten, unterdrückten Bevölkerungsschichten waren es anfänglich, mit denen das Arena-Theater auf Tournee ging, in die Elendsviertel an den Stadträndern und durch die Provinzen. Gespielt wurde auf Dorfplätzen, Kirchentreppen, Lastwagen, improvisiert und mit einfachsten Mitteln. Bei einer Vorstellung vor Bergleuten dienten deren Stirnlampen als Scheinwerfer.
Boal entwickelte und verfeinerte seine Methoden ständig weiter, auch als Folge der wachsenden Repression in Brasilien. Immer neue Theaterformen erfand er, etwa das "Zeitungstheater", das die Zuschauer das Lesen gegen den Strich lehrte, oder das "unsichtbare" Theater, das auf Plätzen und Strassen erst auf den zweiten Blick erkennbar war.
Das Hauptziel von Augusto Boal blieb die Aktivierung des Publikums. Doch anders als bei Brecht hatte dieses nicht nur kritische Distanz zum Bühnengeschehen zu gewinnen, sondern sich auch emotional zu engagieren. Die Zuschauer sollte sich bei Boals "Forumtheater" emanzipieren, aktiv Eingreifende, Mitwirkende werden. "In mir, und in jedem anderen steckt Veränderungskraft", betonte Boal, "diese Fähigkeiten will ich freisetzen und entwickeln. Das bürgerliche Theater dagegen unterdrückt sie."

Tages-Anzeiger 06.05.2009, Nachruf von Peter Müller

«Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt verändern kann. Tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise, in der die Welt jemals verändert wurde.»

Margaret Mead (1901-1978)